Thermische Spritzschichten in der Lebensmittelbranche – eine beständige Geschichte

Montagmorgen, ein Anruf vom Konstrukteur unseres Kunden, der Abfüllanlagen für Bierbrauereien baut. Die Anlage steht, weil ein Induktor ausgefallen ist und schnellstens ersetzt werden muss. Jeder weiß, was ein Maschinenstillstand bedeutet – Produktionsausfall, Lieferverzögerung, gestörte Folge-Prozesse und am Ende Kosten, Kosten, Kosten und ein verärgerter Kunde. Aber was hat das alles mit thermischen Beschichtungen zu tun? Das thermische Beschichten ist eine Möglichkeit der Oberflächenveredelung, die auf vielfältigste Art und Weise technische Lösungen bietet. Es können unterschiedlichste Werkstoffe auf die Bauteile aufgetragen werden, wie z.B. Karbide wie Wolframoder Chromkarbid, Metalle wie Molybdän, Bronze oder Aluminium oder eben auch Keramiken, wie Chromoxid oder wie in diesem Fall Aluminiumoxid. Durch die uneingeschränkte Werkstoffwahl sind der Thermischen Spritztechnologie fast keine Grenzen gesetzt. Das zu beschichtende Bauteil kann aus Metall oder Kunststoff sein, da durch den Spritzprozess kaum Hitze in das Bauteil eingetragen wird und dadurch auch mit keiner Gefügeveränderung oder Verzug zu rechnen ist. Je nach gewünschter Oberflächengüte kann anschließend die thermische Spritzschicht mechanisch bearbeitet werden durch schleifen oder drehen, um die erforderliche Toleranz und Rauigkeit zu erreichen. Durch die Vielfalt an auftragbaren Werkstoffen, bietet diese Technologie für jede erdenkliche Anwendung eine Lösung. Verschleißschutz und Erhöhung der Standzeiten sind eine häufige Anforderung an Maschinenbauteile, ebenso wie Beständigkeit gegenüber unterschiedlichsten Medien, Temperaturen und Drücken. Vermeindlich gegensätzliche Anforderungen können durch das thermische Spritzen vereint werden. Elektrische Isolation oder verbesserte elektrische Leitfähigkeit sind genauso erzeugbar wie thermische Isolation oder deren schnelle Ableitung. Gleiteigenschaften können mittels thermisch gespritzter Oberflächen verbessert werden oder aber bestimmte Rauigkeiten und der Wunsch nach erhöhtem Gripp erzeugt werden. Hier in diesem konkreten Fall der Bierbrauerei ging es um die elektrische Isolation bestimmter Flächen auf einem Induktor, die für eine geregelte elektrische Leitfähigkeit, bzw. Isolation sorgt. Damit die Induktionsspule ihren Dienst erfüllen kann, wird sie an definierten Flächen mit Aluminiumoxid im Flammspritzverfahren beschichtet. Die Möglichkeit der schnellen Durchführung ist ein weiterer Vorteil der thermischen Spritztechnologie. Es können Einzelteile unkompliziert und vergleichsweise kostengünstig bearbeitet werden. Eine große Stückzahl, wie häufig bei anderen Oberflächenveredelungstechniken, ist hier nicht notwendig.

Welche weiteren Anwendungsbeispiele kann es noch geben? Nicht nur Induktoren sind Bestandteil von Abfüllanlagen, sondern auch Drehverteiler, die Flüssigkeiten und Mediengegeneinander abdichten müssen. Die Dichtflächen auf den Drehverteilern sind in diesem Fall auch mit einer Keramik beschichtet, die anschließend geschliffen wird. Chromoxid hat die Eigenschaft, besonders hart und verschleißfest zu sein und bringt zusätzlich noch eine sehr gute Oberflächengüte im geschliffenen Zustand mit, die die geforderten Ra- oder Rz-Werte einhält. Welches Medium hier abgedrückt wird, spielt keine Rolle, egal ob Bier, Milch, Joghurt, Apfelsaft, Speiseöle oder andere Flüssigkeiten – die Keramikschicht hat eine sehr gute Beständigkeit gegen Säuren und Basen, vor allem auch bei hohen Temperaturen. Sind besondere Lebensmittelbeständigkeiten gefragt, kann mit Aluminiumoxid beschichtet werden. Die Erhöhung von Standzeiten kann nicht nur bei Neuteile erreicht werden, sondern gerade heute, wo Nachhaltigkeit und schnelle Verfügbarkeit eine Rolle spielen, auch bei verschlissenen Bauteilen, die mittels thermischen Spritzens relativ einfach repariert und in den Neuteilzustand versetzt werden können.

Nicht nur die abzufüllenden Medien, die mit der Bauteiloberfläche in Kontakt kommen, sind zu berücksichtigen, sondern auch die Reinigungsmittel. Das Schichtsystem ist unbedingt darauf abzustimmen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Werden abrasive Medien, wie z.B. Granulate gefördert, so können Hartmetalle, sogenannte Karbide der geeignete Beschichtungswerkstoff sein. Diese werden, anders als die Keramiken, die im Plasmaverfahren aufgebracht werden, im HVOF-Verfahren aufgetragen. Separatoren, in denen Lebensmittelgranulate wie Nussschalen oder gefriergetrocknetes Obst oder Gemüse in einem Luftstrom gefördert werden, bekommen eine Innenbeschichtung aus Wolframkarbid, um deren Standzeit zu erhöhen. Revisionsintervalle und die damit verbundenen Kosten werden langfristig gesenkt. Auch Fördertöpfe werden mit Karbiden beschichtet, um die Rauigkeit und damit die Transportfähigkeit zu verbessern und gleichzeitig das Schüttgut selbst nicht zu verletzen.

Wolframkarbide werden auch bei der Beschichtung von technischen Messern verwendet. Wurst, Schinken oder Käse stellen eine besondere Herausforderung dar, weil die enthaltenen Eiweiße ganz unterschiedliche Einflüsse abhängig vom Schnittgut auf die Schnittfläche der Messer haben. Hohe Schnittgeschwindigkeiten und eine gleichbleibende Schnittqualität sind das Ziel. Sogar dünne Wolframkarbidschichten haben selbstschärfende Eigenschaften, die dem zu setzen und zu kleben der Schnittflächen mit dem jeweiligen Lebensmittel entgegenwirken. Die Maschine kann länger produzieren,da der Revisionsschritt des Nachschärfens länger raus gezögert werden kann. Durch die längere Lebensdauer des Messers entfallen zusätzliche Reinigungsprozesse.

Neben keramischen oder karbidischen Spritzwerkstoffen gibt es auch eine Reihe von Anwendungsbeispielen mit Metallen. Wellen, die z.B. Nudelteig pressen, sind verhältnismäßig hohen Kräften ausgesetzt. Der Teig kann unterschiedliche Konsistenzen haben, mal weicher, mal härter. Üblicherweise sind diese Wellen aus VA-Stahl, der relativ weich ist und somit leicht einläuft. Eine Beschichtung mit 316L oder Hastelloy hilft hier, die Welle vor dem Ausschuss zu retten. Edelstahl in gespritzter Form weist durch die Oxide, die während des Beschichtungsvorgangs entstehen und dann in der Schicht eingeschlossen sind, eine höhere Härte aus als der Grundwerkstoff. Somit haben beschichtete Wellen eine längere Lebensdauer als unbeschichtete. Anwendungen wie diese sind auch ganz klassische Reparaturfälle. Häufig sind Anlagen älteren Baujahres, bei denen es schwierig wird, Ersatzteile zu bekommen. Durch die Reparatur und Instandsetzung mittels thermischen Spritzschichten, ist eine Lösung gefunden. Das gleiche ist ganz allgemein auch für Lagersitze aller Art gültig. Ein weiteres Beispiel für metallische Überzüge ist das Beschichten von Konvektomaten. Sind die Behälter von außen mit Kupfer beschichtet, ist das Wärmehalte- und Wärmeverteilungsvermögen wesentlich erhöht im Vergleich zu unbeschichteten aus VA-Stahl oder Aluminium hergestellten Behältern.

Die Reihe an Beispielen ist beliebig fortzusetzen. Für jeden Anwendungsfall gelten häufig individuelle Rahmenbedingungen, die in einer persönlichen Beratung ausgearbeitet werden müssen. Denn bei dieser Vielfalt an Möglichkeiten des thermischen Spritzens ist eines sicher: „Es kommt drauf an!“

Kontakt:
Rybak + Hofmann rhv-Technik GmbH + Co. KG
Eisentalstr. 27
71332 Waiblingen
Tel.: 07151/95 99 80
E-Mail: info@rhv-technik.de
www.rhv-technik.com

Ausgabe März/April 2023 „Der Lebensmittelbrief/ernährung aktuell”