Menschliches Verhalten und Klimaveränderungen

Menschliches Verhalten und Klimaveränderungen

Seit der Menschwerdung musste sich unsere Spezies immer und mit immer neuen Schädlingen und Parasiten auseinandersetzen. Mit der nach und nach stattfindenden Umwandlung des nomadischen in ein sesshaftes Leben, der Aufgabe des einfachen „Sammelns“ der Nahrung in Form von Grassamen und Früchten, das Bebauen des Bodens, der Ausbreitung der Landwirtschaft und sowohl der damit einhergehenden größeren Produktion als auch der notwendig gewordenen Lagerhaltung, konnten sich Schädlinge etablieren, die sich im laufe der Zeit an das veränderte Verhalten des Menschen angepasst haben. Einige haben sich zu synanthropen Arten entwickelt. Das heißt sie sind an den menschlichen Siedlungsbereich gebunden (von griech. synanthropein = mit den Menschen leben). Diese Bindungen entstehen, wenn der Mensch durch seine Einwirkung auf die Umwelt konstante und günstige Mikroklimate oder Ernährungsbedingungen für die einzelnen Arten schafft und ihnen dadurch einen Vorteil gegenüber den in freier Wildbahn lebenden Arten verschafft. Wir leben auch in einer Zeit, in der es verstärkt zur Etablierung von Neozoen in unseren Breitengraden kommt. Dies sind Tierarten die in ein neues Biotop eingewandert, eingeschleppt oder bewusst durch den Menschen eingeführt wurden. Durch die Veränderungen der Umwelt in Mitteleuropa, wie z.B. die massive Entwaldung im Mittelalter oder die aktuell, im Zusammenhang mit dem Klimawandel, steigenden Temperaturen bei immer weniger Niederschlägen, wurde und wird die Etablierung der eingewanderten oder eingeschleppten Tiere gefördert. Natürlich gelten Tiere die ursprünglich in Europa heimisch sind und verschleppt wurden, auf den anderen Kontinenten ebenfalls als Neozoen. Vor allem in Australien und Neuseeland werden drastische Maßnahmen ergriffen, um die dort einheimische Flora und Fauna vor neuen Einwanderer zu schützen.

Ratten gehören in Europa auch zu den Neozoen
In unseren Städten ist die Anwesenheit von Ratten heutzutage selbstverständlich. Zu den wichtigsten zwei Rattenarten in Europa gehört Rattus rattus, die Hausratte und Rattus norvegicus, die Wanderratte. Diese waren in Europa nicht immer heimisch. Ursprünglich handelt es sich um in den Steppengebieten Ostasiens beheimatete Arten. Die erste Erwähnung von Hausratten in Mitteleuropa stammt aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. Aus China und der Mongolei haben Sie sich im Gefolge des Menschen, vor allem mit Getreidelieferungen auf Schiffen, über die ganze Welt verbreitet. Die Wanderratte aber war zunächst kein Kulturfolger. In mehreren Wellen kamen die Wanderratten aus dem Norden Chinas erst nach Südostasien. Später besiedelten sie Japan und Sibirien. Im 16 Jahrhundert waren die Ratten dann, meist über Warenlieferungen eingeschleppt, im gesamten Europa etabliert. Die restlichen Weltregionen wurden dann von hier aus besiedelt. Hausratten sind als ursprüngliche Baumbewohner sehr gute Kletterer. In Europa sind Sie vor allem in Gebäuden auf Dachböden im Gebälk unterwegs. Durch das veränderte Nutzungsverhalten, den Umbau der Dachböden zu Wohnraum oder den Ausbau von Scheunen hat der Mensch den Lebensraum der Hausratten immer mehr eingeschränkt. Das hat der Wanderratte, die eher bodennahe Bereiche, mit Erdbauten und die Kanalisation besiedelt, einen entscheidenden Vorteil verschafft. Obwohl sich die Wanderratte erst viel später als die Hausratte verbreitet hat, ist sie heute in vielen Regionen häufiger anzutreffen. Die Wanderratte aber auch die Hausratte zählen zu den Vorrats- und Materialschädlingen, gleichzeitig aber auch zu den Gesundheits- und Hygieneschädlingen und sind daher nach Infektionsschutzgesetz zu bekämpfen. Durch die Verschiebung der Artenhäufigkeit haben sich sowohl die Bekämpfungsmethoden als auch die präventiven Maßnahmen verändert und sich an die Lebensweise der, nun häufiger auftretenden, Wanderratte angepasst.

Nicht heimische Insektenarten können auch in Deutschland zum Problem werden
Die Globale Vernetzung nimmt aktuell immer weiter zu. Über Transportmittel wie Schiffe und Flugzeuge, Transportgüter wie Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände können vor allem Insekten von Kontinent zu Kontinent gelangen.

In Europa wurde Aedes albopictus, die Asiatische Tigermücke 1979 zum ersten mal in Albanien und etwa zehn Jahre danach in Genua festgestellt. Von da aus konnte sie sich in ganz Italien verbreiten und weiter, über Warenströme und Touristengepäck, nach Deutschland gelangen. Da sich die mittlere Jahrestemperatur in Deutschland seit dem Jahr 1881 um ca. 1,5 Grad erhöht hat kann sich die Stechmücke auch hier ausbreiten und nachweislich erfolgreich überwintern, was zu der Bildung einer dauerhaften Population führt. In den ursprünglichen Verbreitungsgebieten der Tropen und Subtropen überträgt die Tiegermücke zahlreiche Viren darunter die humanpathogenen West-Nil-, Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren. Das könnte, nach Kontakt mit einem Infizierten, in Zukunft auch in Deutschland passieren.

Andere Insekten wie zum Beispiel Schaben gehören ebenfalls zu den Gesundheitsschädlingen, weil sie potenzielle Überträger von Salmonellen und Schimmelsporen aber auch von Typhus, Cholera, Kinderlähmung, Hepatitis B, Tuberkulose und Ruhr sind. Des Weiteren können sie Allergien auslösen. Die meisten Arten stammen aus Afrika und den Tropengebieten Südamerikas und Asiens und wurden ebenfalls in die restliche Welt verschleppt. In Deutschland vorkommende Arten, die zu den Schädlingen zählen wie Blattella germanica, die Deutsche Schabe oder Blatta orientalis, die Orientalische Schabe sind ebenso wie die seltener vorkommende Periplaneta americana, die Amerikanische Großschabe synanthrope Arten und eng mit dem Menschen vergesellschaftet. Unproblematisch ist dagegen die aus Südeuropa eingewanderte Ectobius vittiventris, die Bernstein Waldschabe. Sie ist ein Freiland Insekt, verirrt sich manchmal in Innenräume stellt aber keinerlei Gefahr für uns dar. Ein weiteres Beispiel für Neozoen ist Monomorium pharaonis, die Pharaoameise. Sie stammt ursprünglich aus dem indischen Raum, wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit Handelsgütern verschleppt und ist über Nordafrika und den Mittelmeerraum zu uns gelangt.In Europa ist die Pharaoameise nur in Gebäuden überlebensfähig und sucht da, aufgrund ihres tropischen Ursprungs, die wärmsten Stellen auf. Temperaturen um die 30° C werden bevorzugt, entsprechend tritt sie in Krankenhäusern, Hallenbädern, Großküchen, Bäckereien, Wohnanlagen und privaten Haushalten mit Fernwärmeanschluss auf. Pharaoameisen sind Allesfresser, bevorzugen aber proteinreiche Nahrung. Vor allem in Krankenhäusern ist die Pharaoameise problematisch wegen der Verschleppung gefährlicher Krankheitserreger, der Verunreinigung steriler Geräte bis hin zum Befall offener Wunden. Ebenso zu den Neozoen gehört Thermobia domestica das Ofenfischchen. Ursprünglich stammt das Ofenfischchen aus dem Nahen Osten. Durch den Menschen wurde es , bis auf die Antarktis, weltweit verschleppt. In Mitteleuropa kommt es aufgrund des hohen Wärmebedürfnisses nur synanthrop, meist in Bäckereien und Großküchen vor. Ofenfischchen gelten als Material- und Haushaltsschädlinge. Die verursachten Schäden sind meistens gering. Problematisch kann ein Befall in Museumssammlungen werden. Der Ekelfaktor oder Verunreinigungen sind eher relevant.

Ein Neozoe der sich erst seit kurzem in Europa etabliert hat ist Harmonia axyridis der Asiatische Marienkäfer. Die ursprünglich in Japan und China vorkommende Art wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts gezielt in Europa eingeführt. Ab 2002 ist er auch in Deutschland vertreten. Er sollte zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, da er sich von Blattläusen ernährt. Inzwischen tritt er massenhaft auf, drängt die einheimischen Arten zurück und hat sich im Weinbau zum Schädling entwickelt.

Natürlich gibt es sowohl in der Tier- als auch in der Pflanzenwelt noch viele weitere Beispiele für Neozoen, die jenseits ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets, ohne natürliche Gegenspieler, zum Problem werden. In der Schädlingsbekämpfung wird es deshalb zunehmend wichtiger auch die erst kürzlich in Mitteleuropa und Deutschland heimisch gewordenen Tiere, die Schädlingspotenzial aufweisen, im Blick zu behalten, denn ein Schädlingsbefall birgt immer auch ein Gesundheitsrisiko, deshalb sollten Schädlinge nie an Stellen toleriert werden, wo sie in Kontakt mit Lebensmitteln oder anderen Gebrauchsgegenständen kommen können. Schädlinge in Betrieben, Küchen aber auch in Privathaushalten können ein Anzeichen von mangelnder Hygiene oder ungeeigneter räumlichen Beschaffenheit sein. Nach einem festgestellten Schädlingsbefall sollte daher eine Bekämpfung eingeleitet aber immer auch an Präventionsmaßnahmen gedacht werden.

Kontakt:
Auler + Haubrich GmbH
Dagmar Haupt
Diplom Biologin/Schädlingsbekämpferin
T6, 35, 68161 Mannheim

Ausgabe September/Oktober 2022 „Der Lebensmittelbrief/ernährung aktuell”