Genetischer Fingerabdruck lebensmittelbedingter Krankheitserreger

Was kann und bedeutet die Ganzgenomsequenzierung bei Salmonella, Listeria und E. coli?

Die Ganzgenomsequenzierung (Whole Genom Sequencing, WGS) von pathogenen Bakterien kann auch für Lebensmittelunternehmer wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit liefern.

Molekulare Typisierungsmethoden wie WGS werden bei Krankheitsausbrüchen durch pathogene Bakterien wie beispielsweise Salmonellen, Listeria monocytogenes oder Shiga-Toxin-produzierende E. coli (STEC) von den amtlichen Laboren zum Schutz der Gesundheit von Verbrauchern erfolgreich eingesetzt. Mittels der Daten der WGS ist die Charakterisierung von Krankheitserregern und deren detaillierte Typisierung möglich. Auch für das Erkennen von Ausbrüchen und zur Risikobewertung können diese Daten äußerst hilfreich genutzt werden; wie sich in der Vergangenheit, seit des EHEC-Ausbruchs 2011, mehrfach gezeigt hat. Bei potenziellen Ausbruchsgeschehen bietet die WGS-Technologie ein großes Potenzial zur Beurteilung von Gesundheitsgefahren und für die nötigen epidemiologischen Untersuchungen lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche. Die Charakterisierung der pathogenen Mikroorganismen, einschließlich Virulenz- und antimikrobieller Resistenzgene (AMR) ist ebenfalls möglich und wird weltweit auch in human- und veterinärmedizinischen Bereichen eingesetzt.

Die Sequenzierung des gesamten Genoms von Bakterien ist eine moderne und effiziente molekulare Typisierungsmethode, die sich in den vergangenen Jahren, insbesondere durch die Bioinformatik, rasant entwickelt hat. Heutzutage kann WGS auch in privaten, spezialisierten Laboratorien, wie beispielsweise bei LADR Biofocus, routinemäßig durchgeführt werden. Denn nicht nur die amtlichen Labore, die bei lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen epidemiologisch tätig werden und im besten Fall die Ursache ermitteln, sondern auch immer mehr Lebensmittel produzierende Unternehmen interessieren sich proaktiv für diese molekularbiologische Technik. Werden beispielsweise beim eigenverantwortlich durchgeführten Hygienemonitoring pathogene Keime nachgewiesen, so ist es bei Wiederholungsuntersuchungen und erneutem Nachweis sehr hilfreich zu wissen, ob derselbe Stamm, der bereits nachgewiesen wurde, wieder vorliegt. Diese Frage lässt sich derzeit nur mittels WGS beantworten. Dank moderner Bioinformatik und entsprechender Datenbanken (z.B. NCBI) können die Sequenzierergebnisse der analysierten Bakterienstämme verglichen werden. Wird immer derselbe Stamm nachgewiesen, kann dies darauf hindeuten, dass die Bakterien eventuell zur „Hausflora“ gehören. Auch beim Nachweis pathogener Keime in Lebensmitteln und Rohwaren ist ein Sequenzvergleich von großer Bedeutung für die Ursachenermittlung.

„Erfahrungen aus den USA mit der Echtzeit-Überwachung von Listerien-Infektionen basierend auf Sequenzdaten von L. monocytogenes- Lebensmittel- und  Umweltisolaten aus Monitoringprogrammen zeigen, dass deutlich mehr humane Listeriosecluster und Ausbrüche identifiziert werden konnten“, (BfR Wissenschaft 1/2020).

Wie funktioniert das Verfahren Whole-Genom-Sequencing?
Die moderne Analytik kann erst beginnen, wenn ein Bakterienstamm als Isolat vorliegt. Erst dann kann die Extraktion der DNA aus dem Bakterienisolat durchgeführt werden.

DNA-Extraktion
Zunächst müssen die Bakterienzellen aufgebrochen werden, um an das genetische Material (DNA) zu gelangen. Aus dem dann vorliegenden Zelllysat wird die DNA extrahiert und aufgereinigt. Die Integrität und Reinheit der extrahierten DNA wird überprüft, um sicherzustellen, dass sie für die Sequenzierung geeignet ist. Die Qualität der Sequenzdaten hängt direkt mit der Qualität der extrahierten DNA zusammen.

Fragmentierung
Eine durchgehende Sequenzierung von 4,7 Millionen Basen (so groß ist ca. das Genom von Salmonella) ist technisch nicht möglich. Daher ist es notwendig, die isolierte DNA durch Enzyme in kleinere DNA-Abschnitte, mit einer Länge von etwa 200-400 Basen zu zerlegen. Diesen Schritt nennt man Fragmentierung. Anschließend werden kurze DNA-Sequenzen, sogenannte Adapter, an die Enden der DNA-Fragmente gebunden (barcoding), um sie für die Sequenzierungsplattform vorzubereiten.

Hochdurchsatzsequenzierung
Danach erfolgt die gleichzeitige Sequenzierung der gesamten DNA-Fragmente. Während dieses Prozesses werden die DNA-Basen der jeweiligen Fragmente präzise erkannt und in eine digitale Sequenz umgewandelt, die die Grundlage für die nachfolgenden bioinformatischen Analysen bildet.

Die Hochdurchsatzsequenzierung ermöglicht es, durch tausende parallele Sequenzierreaktionen, umfangreiche genetische Informationen in einem Bruchteil der Zeit im Vergleich zu klassischen Verfahren zu generieren.

Bioinformatik
Nach diesem Schritt erfolgen diverse Qualitätskontrollen der digitalen Sequenzdaten der Fragmente. Mittels bioinformatischer Algorithmen werden danach die Einzelteile der Bruchstücke, sogenannte Contigs, in die korrekte Reihenfolge gebracht. Dieser Vorgang wird als Assemblierung bezeichnet. Die erhaltene Sequenz kann, sofern vorhanden, mit verwandten Referenzsequenzen abgeglichen werden.

Auswertung
Auf Basis der nahezu vollständigen Genomdaten ist eine detailreiche phylogenetische Analyse möglich. So können Stammbäume, z.B. als Minimal Spanning Tree (MST), erstellt werden, um die genetische Verwandtschaft und evolutionäre Herkunft von Bakterien darzustellen. Zudem können Verbreitungswege von Krankheitserregern nachvollzogen und epidemiologische Zusammenhänge im Ausbruchsfall identifiziert werden. Hierfür wird in der Regel das sogenannte Multilocus Sequence Typing (MLST) und Core Genome Multilocus Sequence Typing (cgMLST) verwendet.

MLST ist eine etablierte Technik, bei der mehrere spezifische Genloci im Genom sequenziert werden, um ein genetisches Profil für jeden Stamm zu erstellen. Für viele bekannte Spezies existieren MLST- Profile, die i.d.R. auf sieben stark konservierten Genen beruhen.

Das cgMLST erweitert das Konzept von MLST, indem es eine größere Anzahl von Genloci auswählt, die als Kerngenom repräsentativ für eine bestimmte Bakterienart oder -spezies sind. Durch den Vergleich dieser Kerngenom-Loci von verschiedenen Stämmen, können detailliertere Informationen über genetische Unterschiede und Ähnlichkeiten gewonnen werden. Vergleiche von über tausend Loci sind hier nicht ungewöhnlich.

Beim direkten Vergleich zweier (engverwandter) Stämme, kann jede einzelne Base aller im cgMLST verglichener Gene überprüft werden. Die Vergleiche der Basenpaare, sogenannte Single Nucleotide Polymorphism (SNP), zeigen einzelne Basenpaarveränderungen und haben damit die höchstmögliche Genauigkeit.

Fazit
Der Informationswert aus den Daten der WGS-Analyse zu pathogenen Bakterien kann für Lebensmittelunternehmer sehr bedeutsam sein. Aufgrund der Ergebnisse können Hygienekonzepte angepasst und Ursachen zum Nachweis der pathogenen Keime ermittelt werden. Die WGS-Analytik ist auf den ersten Blick teuer. Es fallen in der Regel lediglich Einzelanalysen an, die dann rückblickend mit bisher ermittelten Daten abgeglichen werden. Dadurch kann die Frage beantwortet werden, ob dieselben Bakterienstämme vorliegen. Im Labor des Vertrauens mit vorhandener hochtechnologischer Ausstattung, sollten WGS Analysen ausschließlich durch fachlich qualifiziertes Personal mit bioinformatischer Kompetenz durchgeführt werden.

Kontakt:
LADR Zentrallabor MVZ
Dr. Kramer & Kollegen, Geesthacht
LADR Biofocus
Lebensmittel I Wasser und Umwelt I Hygiene
Lauenburger Str. 67
21502 Geesthacht
Tel.: 04152/803333
www.biofocus.de

Ausgabe Mai/Juni 2024 „Der Lebensmittelbrief/ernährung aktuell”