Wie die Lebensmittelwirtschaft Risiken rasch identifizieren und minimieren kann

Von Udo Berg, Dirk Schweikert und Josef Trilling*

Aktuelle Fälle wie der in der EU nicht zugelassene Einsatz von Ethylenoxid oder auch das Überschreiten kurzfristig geänderter gesetzlicher Grenzwerte wie bei Chlorpyrifos zeigen, wie wichtig ein gut funktionierendes Risiko-Managementsystem ist, um Risiken globaler Versorgungsketten frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Nur bei einer raschen Reaktion gelingt es in der Regel, neben einem wirtschaftlichen Schaden auch einen Imageverlust für das Unternehmen abzuwenden. Drei Fachleute aus der Lebensmittelwirtschaft, die hierbei auf die Datenbank Safefood-Online setzen, zeigen nachfolgend auf, wie diese Datenbank die Arbeit der Qualitätsverantwortlichen bei der Identifizierung von Risiken unterstützt und gleichzeitig die Prozesse transparent und nachvollziehbar macht.

Der Nachweis von Ethylenoxid, das seit September 2020 zu einer Vielzahl an Rückrufen geführt hat und auch z.B. Foodwatch auf den Plan rief, ist nur ein Beispiel von vielen. Die Behandlung von Lebensmitteln mit Ethylenoxid erfolgt wegen der abtötenden Wirkung gegenüber Bakterien, Pilzen und Viren. Die Substanz ist in der EU hierfür nicht zugelassen. Nach der Verordnung (EG) 1272/2008 ist Ethylenoxid als karzinogen und mutagen (Kategorie 1B) eingestuft. Die in der VO (EU) 396/2005 festgelegten Höchstgehalte als Summe aus Ethylenoxid und 2-Chlorethanol (einem Abbauprodukt von Ethylenoxid) liegen für Ölsaaten wie z.B. Sesamsamen bei 0,05 mg/kg, für Zitrusfrüchte wie Orangen und Zitronen bei 0,02 mg/kg.

Ethylenoxid im Europäischen Schnellwarnsystem (RASFF)
Aus Belgien kam am 9. September 2020 die erste Meldung im RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) zu Funden von Ethylenoxid-Rückstanden in Sesamsamen. Dieses Schnellwarnsystem dient dem raschen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Rechtlich basiert das RASFF auf Artikel 50 der Verordnung (EG) 178/2002 (EU-Basis-Verordnung), in der die Verfahren zur Lebensmittelsicherheit festgelegt sind.

Hier setzt die Datenbank Safefood-Online an. In ihr werden alle Meldungen des RASFF erfasst und statistisch auswertbar und visualisierbar gemacht. Außerdem finden sich in der Datenbank die monatlichen EU-Meldungen zu Food Fraud. Aktuell enthält Safefood-Online mehr als 70.000 Meldungen. Das Tool ermöglicht es, interne Informationen, wie z.B. Ergebnisse aus eigenen Untersuchungen, Meldungen von Kunden oder Lieferanten oder auch von amtlichen Kontrollen, individuell für jeden Nutzer einzupflegen. Sämtliche Daten fließen dann selbstverständlich mit in die HACCP- und Food Fraud-Auswertungen ein.

Safefood-Online bietet dem User für die tägliche Arbeit fünf sich ergänzende Module:
■ Suche
■ HACCP Export
■ Prüfplan
■ Food Fraud
■ Dashboard

Rasch informiert durch das Dashboard
Der Nutzer von Safefood-Online erhält die neuen Meldungen entweder über den Newsticker auf der Startseite, über das Dashboard oder täglich über eine individuell einstellbare Notification E-Mail-Funktion.

Mit dem Dashboard stellt Safefood-Online seinen Kunden ein Tool bereit, das Meldungen schnell und unter Berücksichtigung unternehmensspezifischer Gegebenheiten anzeigt. Dabei können in einer Watchlist die für das Unternehmen wesentlichen Produkt- bzw. Rohstoffgruppen vorab ausgewählt werden Anschließend können die Daten nach verschiedenen Abfrageparametern wie z.B. Meldungen, gesamt oder nur Watchlist Meldungen, Meldungen nach Produktkategorien oder nach Gefährdungskategorien, Trendanalysen nach Produkt, Gefahrenquelle oder Ursprungsland im Dashboard angezeigt werden.  Welche Gefahren gibt es für ein bestimmtes Lebensmittel oder eine bestimmte Produktgruppe? Welche Meldungen gab es bereits für bestimmte Ursprungsländer?

Die Abfrage kann auf eine oder mehrere Gefährdungskategorien bzw. Produktkategorien eingegrenzt werden und durch weitere Suchoptionen (wie z.B. den Zeitraum) individuell angepasst werden.

Die Suche nach „Ethylenoxid“ im Zeitraum 1. Januar 1979 bis 8. September 2020 ergibt beispielsweise insgesamt fünf Meldungen zwischen 2008 und 2019 (zwei Meldungen zu schwarzem Pfeffer und je eine Meldung zu Kreuzkümmel, Zwiebelpulver und Currypulver). Drei Meldungen hatten als Ursprungsland Indien. Nach der Meldung vom 9. September 2020 gab es dann am 29. September 2020 und am 9. Oktober 2020 die beiden nächsten Warnmeldungen, wieder zu Sesamsamen mit Ursprung Indien. Am 13. Oktober 2020 folgten dann insgesamt elf Meldungen, alle zu Sesamsamen (auch aus biologischem Anbau). Diese Historie zeigt, dass sich Lebensmittelsicherheitsrisiken in kürzester Zeit signifikant verändern können und daher eine zeitnahe und regelmäßige Betrachtung der Datenlage notwendig wird. Eine Trendanalyse im Dashboard von Safefood-Online veranschaulicht die zeitliche Entwicklung (dabei wurden Ethylenoxid/ 2 Chlorethanol „gruppiert).

Grafische Trendanalysen können. neben Gefährdungen auch für Lebensmittel (Rohstoffe) und Ursprungsländer im Dashboard individuell vom User angelegt und gespeichert werden, so dass bei jedem Aufruf die aktuelle Entwicklung verfolgt werden kann.

In Safefood-Online werden die Ergebnisse einer Suche in einer Risikomatrix dargestellt. Die Einstufung in fünf verschiedene Risikoklassen ergibt sich aus den beiden Kriterien:
■ Häufigkeit der Meldung
■ Schwere der Auswirkung.

Die Abstufung der Häufigkeit von „unwahrscheinlich“ bis „häufig“ basiert auf der Anzahl der Meldungen zu der jeweiligen Gefahr. Grundlage für die Abstufung „Schwere der Auswirkung“ ist die Bekanntmachung der EU-Kommission „zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelbetrieben“ (2016/C 278/01). Zusätzlich zur Risikomatrix werden alle Ergebnisse (Meldungen) der Suche tabellarisch dargestellt. Damit ist das Modul „Suche“ ein wertvolles Tool, um schnell einen Rohstoff zu bewerten, für den es (noch) keine internen Daten gibt. Aufgrund der neu entstandenen Gefährdungslage bei Ethylenoxid erfolgte bereits am 19. Oktober 2020 die Einstufung in der Risikomatrix als „nicht vertretbares Risiko“. Aufgrund der stark zugenommenen Anzahl an Meldungen werden Ethylenoxid/2-Chlorethanol heute als „kritisches Risiko“ eingestuft.

HACCP-Export: Risikobetrachtung der Rohstoffe
Mit Hilfe des Moduls „HACCP Export“ kann das Risiko für alle in einem Betrieb eingesetzten Rohstoffe geprüft werden. Zur besseren Übersicht ist es in Safefood-Online möglich, die Rohstoffe zu gruppieren. Die Ergebnisse können summiert („mit allen kombinierten Gefährdungen“) oder einzeln nach Gefährdungskategorien („mit einzelnen Gefährdungen“) ausgegeben werden. Außerdem werden die Ursprungsländer sowie die Anzahl der Meldungen genannt. In der Spalte „Maßnahmen zur Beherrschung“ können entsprechend dem Codex Alimentarius HACCP individuelle Vorkehrungen zur Beherrschung dieser Gefährdung eingetragen werden. Zusätzlich erhält der Anwender mögliche Handlungsanweisungen für das eigene Unternehmen.

Unterstützung beim Erstellen von Prüfplänen
Zusätzlich zu „Suche“ und „HACCP-Export“ bietet Safefood-Online das Tool „Prüfplan“. Mit ihm kann auf Basis aller in der Datenbank vorliegenden Meldungen ein Prüfplan für alle eingesetzten Rohstoffe, aber auch für die Fertigprodukte erstellt werden. Bei der Abfrage werden alle bisher bekannten Gefährdungen summiert und in einer Tabelle ausgegeben. Dieses Modul ist die ideale Basis zur Optimierung unternehmensspezifischer Prüfpläne. Im Fall von Ethylenoxid beispielsweise schlägt der Prüfplan (Stand 29. April 2022).

Food Fraud: Dem Betrug auf die Schliche kommen
Food Fraud umfasst die absichtliche und vorsätzliche Substitution, Hinzufügung, Manipulation oder falsche Darstellung von Lebensmitteln, Lebensmittelzutaten oder Lebensmittelverpackungen, Etikettierung, Produktinformationen oder falsche oder irreführende Aussagen über ein Produkt zum wirtschaftlichen Gewinn, das die Gesundheit des Verbrauchers beeinträchtigen könnte (GFSI Benchmarking Requirements, 2017). Kurz: Food Fraud steht für Lebensmittelbetrug.

Um das Risiko betrügerischer Aktivitäten zu eliminieren bzw. auf ein Mindestmaß zu reduzieren, sind zwei wesentliche Schritte erforderlich: eine „Schwachstellenanalyse“, um potenzielle Verwundbarkeiten zu identifizieren sowie ein „Food Fraud Minimierungsplan“ mit festgelegten Kontrollmaßnahmen, um die Risiken aufgrund der identifizierten Schwachstellen weitestmöglich zu reduzieren.

Für diesen Prozess stellt Safefood-Online mit dem Modul „Food Fraud“ ein effizientes Werkzeug zur Verfügung. Analog zum Modul „HACCP Export“ sind zunächst die Rohstoffe bzw. Rohstoffgruppen auszuwählen oder aus dem Modul „HACCP Export“ durch Kopieren zu übernehmen. Die Schwachstellenanalyse in Safefood-Online startet mit jeweils vier Fragen zu den Themen Auftritts- und Entdeckungswahrscheinlichkeit. Bei der Auftrittswahrscheinlichkeit geht es um Fragen zu bekannten Vorfällen, ökonomischen Einflüssen, Ursprungsländern sowie Marktgegebenheiten. Die Frage zu bekannten Vorfällen wird automatisch auf Basis aller Meldungen in der Datenbank Safefood-Online beantwortet. Die Einstufung des Risikos bezüglich des Ursprunglandes erfolgt in Safefood-Online mit Hilfe des „Corruption Perception Index, CPI“ und des „Global Competitiveness Index, GCI“. Bei der Entdeckungswahrscheinlichkeit geht es um Fragen zur Verpackung (Originalitätsverschluss), Supply Chain, bereits etablierte Kontrollmaßnahmen und die Möglichkeit, durch Kontrollmaßnahmen eine Verfälschung feststellen zu können.

Die Ergebnisse der Food-Fraud-Analyse werden in vier Tabellen dargestellt. Auf dem ersten Blatt werden alle Ergebnisse der ausgewählten Rohstoffe zusammenfassend dargestellt. So kann jederzeit nachvollzogen werden, wie die jeweiligen Fragen beantwortet wurden. Die Farbe zeigt dabei die Einstufung in der Risiko-Matrix an. Diese Tabelle kann individuell z.B. mit dem Namen des Lieferanten, dem aktuellen Preis oder dem Stand der Zertifizierung und weiteren Informationen erweitert werden.

Auf dem zweiten Blatt wird aus den Antworten zur Auftritts- und Entdeckungswahrscheinlichkeit die Einstufung errechnet und in einer Risikomatrix dargestellt.

Mit dem dritten Blatt wird eine Liste mit empfohlenen Handlungsanweisungen ausgegeben. Diese basieren auf den GFSI-Regelwerken und entsprechen somit auch den Zertifizierungsstandards wie dem BRCGS, IFS Food oder FSSC 22000. So unterstützt die Datenbank Safefood-Online den User auch bei strategischen Entscheidungen zur Risikominimierung: Hier gibt es ebenfalls die Möglichkeit, unternehmensspezifische Handlungsanweisungen aufzunehmen und so die Minimierungsmaßnahen noch besser an die eigene Unternehmenssituation anzupassen.

Auf dem letzten Ergebnisblatt werden alle Food Fraud Fälle – entsprechend der Anzahl bekannter Vorfälle – für den gewählten Zeitraum dargestellt.

Newsletter für den Überblick
Zum Angebot von Safefood-Online gehört ein monatlicher Newsletter, der die RASFF Meldungen sowie die unter lebensmittelwarnung. de veröffentlichten Lebensmittel-Rückrufe des vergangenen Monats zusammenfasst und auswertet. Hintergrundinformationen zu den Ursachen für die Warnmeldungen bzw. Rückrufe sowie aktuelle Links zu den Themen Lebensmittelsicherheit und Food Fraud runden den Service ab.

* Über die Autoren:
Udo Berg studierte Lebensmittelchemie und war als Leiter Forschung und Entwicklung in einer Mälzerei tätig, bevor er zu einem namhaften Hersteller von Backzutaten wechselte. Dort war er zuletzt Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortete die Bereiche Forschung/Entwicklung und Qualitätsmanagement. Heute ist der Kenner des Lebensmittelrechts für Safefood-Online als freier Berater tätig.

Dirk Schweikert ist Global Director Quality & Food Safety bei ADM WILD, Eppelheim. Er ist seit 2000 für den Ingredients-Hersteller tätig und zeichnet aktuell weltweit verantwortlich für den Bereich „Flavours“.

Josef Trilling, seit der ersten Stunde Kunde von Safefood-Online, hat über 25 Jahre Erfahrung als Lebensmitteltechnologe in der Nahrungsmittelindustrie. Er war unter anderem tätig für Kraft-Jacobs-Suchard (heute Mondelez) und Nestlé. Sechs Jahre war er Geschäftsführer der Tönnies Lebensmittel GmbH. Heute ist Trilling Inhaber der Unternehmensberatung jtconcept mit den Schwerpunkten Lebensmittelsicherheit & Qualitätsmanagement.

Kontakt:
safefood-online GmbH
www.safefood-online.de

Ausgabe Mai/Juni 2022 „Der Lebensmittelbrief/ernährung aktuell”